Der Speck muss weg

Es reicht. Ca. 10 Kilo Babyspeck sind 10 Kilo zuviel. Da hilft nur noch ein Besuch im Fitness-Center.
Erkenntnis: Sport macht hungrig ...

Mein Leben als Mutter - was hat es mir eingebracht? Ungefähr, ich wiege mich schon lange nicht mehr, 10 Kilo zusätzlich auf den Rippen, vorn und hinten. Wirklich nur ungefähr, eher mehr - das gebe ich in Stunden der Wahrheit offen zu, vor mir selbst und ganz leise, damit es keiner hört.

Es reicht, und ich sitze im Silberpfeil auf dem Weg ins Fitness-Center, um zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen; einerseits den Rückenschmerz durch Kräftigung der Bauch- und Rückenmuskulatur zu bekämpfen, andererseits mein FdH-Programm durch körperliche Aktivität zu unterstützen.

Ganz spontan, wie es meine Art ist, habe ich die "gelben Seiten" nach entsprechenden Einrichtungen durchforstet und auch gleich das Passende für mich gefunden: eine Lokalität nur für Frauen. Da fahre ich jetzt hin.

Erster Eindruck: ein riesiger Raum, bestückt mit vielen, etwas futuristisch anmutenden Gerätschaften, alles sehr technisch und eher dem ähnelnd, was man sich so unter Folterinstrumenten vorstellt, mit Ketten und Gewichten. Die Geräuschkulisse: ein ewiges Radeln, ein Kling und Klong, und viel Musik. Für die Motivation, nehme ich an und nähere mich der Theke. Wie in der Bar oder beim Arzt. Hier kann frau Molke trinken, igitt, und Fruchtsäfte. Die Dame dahinter begrüßt mich wie eine alte Bekannte, das soll mir wohl die Neulings-Ängste nehmen, die ich fraglos offen zur Schau trage. Ob sie mir helfen könne, fragt sie mich, und ihr Blick wandert an mir hinauf und herunter. Ich hoffe, sage ich, dass mein Rücken schmerzt und meine Psyche, weil ich zuviel wiege. Dann bist du hier richtig, erwidert sie, weil wir uns alle duzen. Das gefällt mir, weil ich mir, vielleicht altersbedingt, Vornamen besser merken kann. Sie befragt ihren Terminkalender und wir einigen uns auf ein Probetraining in vier Tagen.

Beim nächsten Besuch kenne ich mich schon besser aus, habe mein Trainingszeug dabei und werde erst mal interviewt, nach Vorerkrankungen befragt. Dann setzt sie mich auf ein Fahrrad, ich soll erst mal eine Viertelstunde fahrradeln, währenddessen sie mir ein angemessenes Trainingsprogramm zusammenstellt. Sie drückt kurz hier und dort auf ein paar Tasten, und schon erscheinen im Display diverse Dinge, die ich nicht so recht entschlüsseln kann, denn ich habe meine Brille in der Umkleidekabine gelassen. Der Programmwahlschalter bietet interessante Möglichkeiten, ich erwarte schon "Rennen fahren" oder "Stufe 5", aber für mich ist es Stufe eins und nennt sich "Herzfrequenz-Programm". Es ist wohl das für die älteren Mitbürger unter uns und klingt eher nach Kurklinik als nach Fitness-Studio.
Aber egal - ich radle erst mal los, nehme gleich die erste Steigung in Angriff, die das Programm mir ankündigt.

Nach drei Minuten baut sich, Lämpchen für Lämpchen, das angekündigte Herz auf, welches, wenn in ganzer Schönheit sichtbar, von mir verlangt, dass ich beide Hände auf dafür vorgesehene Punkte lege, wo dann meine Herzfrequenz gemessen oder ausgerechnet wird. Das Ganze bei ungefähr 80 Pedal-Umdrehungen in der Minute, die ich einhalten muss, sonst piept das Fahrrad. Die Frau auf dem Rad neben mir liest interessiert in einer "Cosmopolitan", die auf ihrem Display liegt, das sie nicht braucht, weil sie ihren Rhythmus offensichtlich kennt. Das bemerke ich etwas neidvoll, weil es bei mir schon wieder piept. Ein kurzer Blick auf das Display: ich fahre mit 74 Umdrehungen, lege jetzt meine Hände auf den gewünschten Punkt und kriege eine Herzfequenz von 138. Und das, obwohl ein Durchschnittswert von 123 angesagt ist, als Optimalwert für mein Alter. Ich bin also eher weniger fit, das weiß ich nach fünf Minuten und soll noch mal 10 Minuten radeln, zum Aufwärmen. Was dann wohl kommt, frage ich mich und möchte die weiße Fahne hissen, aufgeben, wo gerade eine Mittzwanzigerin meinen Blickwinkel passiert - an allen wünschenswerten Stellen ausgeformt und dort platt, wo ich es zu sein wünsche: am Bauch.

Also weiter im Programm geradelt. Nach einer geschafften Viertelstunde steige ich ab vom Rad, mit einem Endergebnis von immerhin 125 Punkten, was fast schon mein Optimalwert wäre - ein Ergebnis, mit dem ich gern nach Hause gehen würde. Aber daraus wird nichts, denn jetzt kommt die "Rückenstraße", eine Ansammlung von Geräten, wo man sich mal mit dem Rücken, mal mit dem Bauch drauflegen muss. Meine Trainerin führt alles leicht und locker vor, dann komme ich, und alles wirkt gleich bedeutend weniger elegant, weil ich gleichzeitig Lage und Position, Sinn, Inhalt und Funktion der Übungen bedenken muss. Eine eher intellektuelle Anstrengung, deshalb habe ich danach auch den Eindruck, dass mich alles mehr mental als physisch beansprucht hat.

Die Rückenstraße ist direkt vor einer Spiegelwand aufgebaut - eine Attacke auf die Eitelkeit, mahnende Konfrontation mit der Realität. Wer ist es, die sich da in reichlich antik anmutendem Outfit etwas ungelenk abmüht? Zwei Matten weiter Spaghetti-Träger über einem wunderbar fettfreien Rücken, den ich auch mal hatte, damals, in den Siebzigern. Lang ist's her.

Zum Schluss noch mal 15 Minuten radeln, also 10 km Entfernung, das war's dann "schon", und ich verlasse nach 2 kurzweiligen Stunden das Etablissement. War doch nicht so schlimm wie erwartet, bin nicht mal außer Atem, auch nur ein bisschen durchgeschwitzt und klopfe mir auf die Schulter - gut gemacht, altes Mädchen ...

Zu Hause angekommen, erwartet mich ein Duft von Pizza, der Rest der Familie hat wohl gerade gespeist, wie rücksichtsvoll. Dunkel erinnere ich mich an längst vergangene sportliche Aktivitäten, ebenfalls aus den Siebzigern. Damals ging ich schwimmen, wir waren 3 "Mädels", und schwimmen gingen wir eigentlich deshalb, weil es, so schön hungrig machend, einen Besuch beim "Spanier" rechtfertigte. Da gab es "Spieße" - einen, oder zwei, oder auch drei, und eine Menge Sangria, den ersten immer auf Kosten des Hauses.
Unsere Kühlschranktür quietscht beim Öffnen, sie quietscht geräuschvoll - Manifest einer Versuchung, der ich gerade erliege. Denn Sport macht hungrig. Damals wie heute.

Am nächsten Tag sitze ich etwas unbequem auf meinen zwei Pobacken, deren gerade wiederentdeckte Muskulatur etwas schmerzt. Wie auch die im Bauch, die sich beim Husten oder Lachen bemerkbar macht.
Die älteste Schwester meiner Töchter studiert Medizin, hat gerade die Anatomie fast hinter sich gebracht, und klärt mich über das mehrlagige Muskelaufkommen im Bauchbereich auf. Das muss sie nicht, ich spüre es auch so, und Medizin studieren muss ich dafür auch nicht. Da reicht schon ein einziger Besuch im Fitness-Center völlig aus, um zu erkennen, dass es etwas geben muss, von links oben nach rechts unten, dasselbe von rechts nach links, auch ein paar vertikale Stränge, und etwas sehr schmerzhaft Zentrales ...

... oder ist das mein Magen, der ständig knurrt?

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