Ferienerlebnisse einer Daheimgebliebenen, Schilderung hochsommerlicher Begleiterscheinungen, des Kampfes einer harmlosen Hausfrau gegen lästige "Untermieter".
Endlich sind alle in Urlaub, wie man so sagt, und wir können mal so richtig angenehm einkaufen, kriegen überall einen Parkplatz direkt vor der Tür, kommen überall sofort dran, müssen nirgendwo warten. Nicht mal an der Kasse. Aber die Freunde sind auch alle in Urlaub, und so hängen meine Kinder zu Hause rum und langweilen sich. Und mich mit ihren Quengeleien. Ja, es ist nicht einfach, wenn die Eltern arbeiten. Eine harte Schule, und das auch noch in den Ferien. Aber zum Glück ist Planschbeckenwetter. Da wird eine gelbe Decke zum Strand, das Becken ist das Meer, und Mama ist die Eisfrau, in regelmäßigen Abständen am Strand entlangwandernd und die kühlende Ware verteilend. Nicht kostenlos, denn wozu haben wir Spielgeld? Ein Milcheis kostet 10 Mark, ein Fruchteis 50 Mark, ein Wassereis 500 Mark. Wir haben nämlich nur noch Scheine, das übrige Geld liegt verborgen in irgendwelchen Schatztruhen, so gut versteckt, dass auch das Aufräumen nichts mehr zutage fördert.
Spätnachmittags picknicken wir am Strand, üblicherweise Pizza oder Spaghetti mit Tomatensoße. Aber zum Glück ist der Strand bei 60 Grad waschbar. Spätestens am dritten Sonnentag wird das Meer etwas glitschig, verursacht durch ein Zuviel an wasserfester Sonnenmilch. Die Kinder werden ja pädagogisch sinnvoll dazu angeleitet, sich gegenseitig zu helfen. Auch beim Eincremen. Aber der Glitsch tut der plantschenden Freude keinen Abruch. Während die Kinder also gut beschäftigt sind, macht Mama klar Schiff in der Küche, die Kombüse heißt, wenn wir Urlaub spielen.
Mama
bringt zum Beispiel den Biomüll in die Biotonne, die bei hochsommerlichen
Temperaturen ein reges Innenleben aufzuweisen hat. Beim Öffnen
tropfen bereits die Maden vom Deckel. Der Ekel wird tapfer überwunden
und der mitgebrachte Müll in die Tonne gekippt. Dabei entsteht
irgendwo ein physikalisch gerechtfertigtes Vakuum, welches die in der
Tonne befindlichen, weißen Würmer explosiv in die Höhe
schießen lässt. Mama kennt das und springt soviele Meter
wie möglich zurück. Dabei lässt sie den Deckel los, und
die daran und darauf und darunter befindlichen Maden zerstieben in alle
Winde. Durch die Druckwelle, die entsteht, wenn der Deckel unkontrolliert
auf die Tonne knallt. Doch wer die Maden auf den Füßen nur
mit Ekel betrachtet, tut ihnen unrecht - denn was sind sie anderes als
Beispiel dafür, wie gut Mutter Natur funktioniert! Ein paar Eier,
von unermüdlichen Brummerinnen auf etwas Müll abgelegt, und
schon entsteht neues Leben, viel neues Leben. Ungefähr soviel,
wie Müll in der Tonne befindlich. Igitt. Mama ist keine Naturforscherin,
Mama bringt es nicht über sich, die Maden als Teil des ewigen Kreislaufs
zu betrachten. Diese vom Deckel tropfenden Stäbchen - ein Bild
des Grauens. Verursacher von Gänsehaut, die sich sonst doch eher
als Folge von angenehmen Gefühlen einstellt. In Erinnerung derer
weicht das Würgen.
Da möchte man Wärme und Sonnenschein fast verwünschen, aber nur fast, denn bei Regen funktionieren Landleben und Mutter Natur auch nicht schlecht. Dann kriechen sie zu Tausenden und Abertausenden durchs Gras und über den Gehweg, die Nacktschnecken. Lang und schwarz und schleimig glänzend. Bei diesem Gedanken schüttelt es mich schon wieder, Erinnerung an all den Glibber unter den Schuhen ... und an die Schnecken im Waschkeller, die sogar in die Wäsche und den Trockner kriechen. Das weiß ich, denn neulich trocknete ich einige Exemplare versehentlich mit. Sie glibbern hinterher nicht mehr, sind dann auch nicht mehr von ursprünglicher Form.
Vom Wespennest im vergangenen Jahr, oben in der Garage, will ich nicht
reden, auch nicht von den Hornissen, deren Heimstatt sich unter der
Terrasse befindet. Da sind die Ameisen schlimmer, die ständig um
die Betonplatten herumbuddeln. Backpulver soll helfen, sagt die Nachbarin.
Hier hilft's nicht, also bewaffne ich mich ab und zu mit kochendem Wasser
und gieße es brutal in die kleinen Löcher. Als hilflose Rache
für alles; mit wachsender, grausiger Freude am Massenmord.
Sternstunden einer harmlosen Hausfrau.