Die Kirchenvorstands-Sitzung

(Sketch / Satire)

  Personen:

Pastor
Vikar
Herr Montag
Frau Dienstag
Herr Mittwoch
Frau Donnerstag
Herr Freitag
Frau Samstag
Ein Gast
  Vorhang auf
Pastor Guten Abend. Ich möchte Sie herzlich begrüßen. Wir sind heute wieder einmal zusammengekommen, um einige wichtige Punkte zu besprechen. Zu Anfang aber wollen wir einen Text aus der Bibel hören und die Sitzung mit Gottes Wort beginnen - fangen wir an!
Vikar (Vikar liest den Bibeltext: Jakobus 3,7-8):
DER MENSCH HAT ES FERTIGGEBRACHT, ALLE TIERE ZU BÄNDIGEN: RAUBTIERE, VÖGEL, SCHLANGEN UND FISCHE. ABER DIE ZUNGE HAT NOCH NIEMAND BÄNDIGEN KÖNNEN; SIE LÄSST SICH NICHT UNTER KONTROLLE BRINGEN.
Pastor Amen.
Ich denke, dieser kurze Text spricht für sich und bedarf keiner erläuternden Worte.
Und nun wollen wir uns der Tagesordung zuwenden. Ihnen allen liegt das Protokoll der letzten Sitzung vor. Hat jemand eine Anmerkung oder Ergänzung, oder können wir das Protokoll absegnen?
Alle Absegnen!
Pastor Fürs Protokoll: einstimmig abgesegnet. Ja-Stimmen: alle, Nein-Stimmen: keine, Enthaltungen: keine.
( zum Vikar: )
Sie dürfen nicht mit abstimmen, Sie müssen das alles ja erst noch lernen.
Vikar Wenn ich was lernen soll, muss ich das auch üben können.
Pastor (leise zum Vikar:)
Sie machen das, was ich Ihnen sage.
Freitag Sind wir überhaupt beschlussfähig?
Immerhin fehlen heute ja einige?
Donnerstag Stimmen wir denn nicht immer einstimmg ab? Also ich meine, jeder hat ja eine Stimme, also stimmen wir immer ein-stimmig ab ... da ist es doch egal, wieviele von uns da sind.
Freitag (leise zu Donnerstag:)
Warten wir erst mal ab, wie das hier im Kirchenvorstand üblich ist, wir wollen ja nicht gleich zu Anfang den Laden komplett umkrempeln.
Pastor Also für die Neuen: hier im Kirchenvorstand halten wir es so, dass wir keinen vor den Kopf stoßen. Hier geht es immer friedlich zu, dies hier ist sozusagen eine kirchliche Veranstaltung, keine politische Versammlung. Wir beachten das eben gehörte Bibelwort, hier geht es immer ordentlich und gesittet zu. Nähere Informationen hierzu erhalten Sie bei der Lektüre des ersten Briefes Paulus' an die Gemeinde in Korinth- ich empfehle dazu besonders das Studium von Kapitel 14, Vers 33-35:

... 33 DENN GOTT IST NICHT EIN GOTT DER UNORDNUNG, SONDERN EIN GOTT DES FRIEDENS.
WIE ES IN ALLEN GEMEINDEN DER HEILIGEN ÜBLICH IST, 34 SOLLEN DIE FRAUEN IN DER VERSAMMLUNG SCHWEIGEN; ES IST IHNEN NICHT GESTATTET ZU REDEN. SIE SOLLEN SICH UNTERORDNEN, WIE AUCH DAS GESETZ ES FORDERT. 35 WENN SIE ETWAS WISSEN WOLLEN, DANN SOLLEN SIE ZU HAUSE IHRE MÄNNER FRAGEN; DENN ES GEHÖRT SICH NICHT FÜR EINE FRAU, VOR DER GEMEINDE ZU REDEN...

Nächster Tagesordnungspunkt: Bericht aus den Ausschüssen. Demnächst soll unser Gemeindefest stattfinden, also ist jetzt der Festausschuss des Gemeindeausschusses dran, ich bitte um einen kurzen Bericht - wer fängt an?
Ach, ich sehe gerade in meinem Terminkalender, dass ich auch anwesend war.
Ich hatte da übrigens eine gute Idee - der Kirchenvorstand könnte doch einen Sketch aufführen, das wäre mal was Neues. Wer hätte denn Lust, da mitzumachen?
Alle sehen sich an.
Freitag Klasse Idee, da nehmen wir am besten z.B. die letzte Kirchenvorstands-Sitzung ...
Samstag Also ich denke da eher an einen Basar. Das Arbeitslosenzentrum z.B. hat da in letzter Zeit gute Sachen gemacht ...
Alle Absegnen!
Pastor Fürs Protokoll: einstimmig abgesegnet. Ja-Stimmen: alle, Nein-Stimmen: keine, Enthaltungen: keine.
Basar des ALZ.
Was hatten wir noch? Ach ja, die Musik. Unsere diversen Musik- und Singgemeinschaften wollen auch ihren Beitrag leisten ...
Alle Absegnen!
Pastor Fürs Protokoll: einstimmig abgesegnet. Ja-Stimmen: alle, Nein-Stimmen: keine, Enthaltungen: keine.
Musik und Gesang wie üblich.
Das geht ja wieder einmal zügig heute Abend!
Haben wir sonst noch was?

Die Abgeordneten des Festausschusses des Gemeindeausschusses sehen sich an.
Dienstag Also vielleicht sollten wir auch die Senioren und die Kinder ansprechen, ob ...
Die Tür öffnet sich, ein alter Mann tritt ein.
Gast Gott sei mit euch.
Pastor Oh, ein Gast, Guten Abend und Gottes Gruß! Die Seniorengruppe trifft sich erst morgen, heute haben wir hier Kirchenvorstands-Sitzung.
Gast Genau deshalb bin ich hier.
Pastor Das finde ich ja schön, da interessiert sich jemand für die Arbeit des Kirchenvorstandes!
Aber ich kenne Sie nicht, und eigentlich kenne ich jedes Schäflein in meiner Gemeinde - sind Sie fremd hier?
Gast Verzeihung, ich habe mich noch nicht vorgestellt: Mein Name ist "Gott". Ich bin immer da, wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, und deshalb bin ich heute Abend hier.
Alle sehen sich an.
Mittwoch Guten Abend, Herr Gott. Jetzt setzen Sie sich erst einmal, Sie sehen etwas müde aus. Verschnaufen Sie mal etwas, dann rufen wir Ihnen ein Taxi, und das bringt Sie dann zurück nach Hause - wo wohnen Sie?
Gast Ich wohne in jedem von euch, und, wie gesagt, ich bin immer da, wo zwei oder drei ...
Freitag Lieber Herr Gott, sagen Sie uns doch einfach Ihre Adresse, das Taxi bezahlen wir.
Gast ... in meinem Namen versammelt sind.
Mittwoch rückt einen Stuhl zurecht, der Gast setzt sich.
Pastor Lieber Herr Gott, ich denke, Sie ruhen sich erst einmal aus, so wie Herr Mittwoch das vorgeschlagen hat, dann sehen wir weiter.
Wir waren beim Gemeindefest. Frau Dienstag, Sie wollten gerade etwas über die Mitwirkung von unterschiedlichen Gruppen sagen?
Dienstag Ja, wir hatten doch letztes Jahr diesen Weihnachtsbasar. Die Kita hat da einen sehr schönen Stand gemacht ...
Alle Absegnen!
Pastor Fürs Protokoll: einstimmig abgesegnet. Ja-Stimmen: alle, Nein-Stimmen: keine, Enthaltungen: keine.
Die Kita macht einen Stand.
Was haben wir sonst noch besprochen - Getränke? Würstchen?
Gast Das Brot brechen, den Wein trinken ...
Freitag Lieber Herr Gott, Sie sind Gast hier, überlegen Sie sich, wo Sie wohnen, dann bringen wir Sie nach Hause. Das hier ist eine Kirchenvorstands-Sitzung, eine nicht öffentliche Kirchenvorstands-Sitzung, wir haben wichtige Sachen zu besprechen. Wir alle haben unsere Zeit nicht gestohlen, wir alle wollen diese Sitzung nicht übermäßig in die Länge ziehen ...
Pastor Herr Freitag, Sie haben recht, aber lassen Sie unseren Gast in Frieden ruhen, äh ausruhen.
Wo waren wir stehengeblieben?
Montag Also ich würde gern nochmal zurückkommen auf den Sketch. Das ist eine gute Idee, vielleicht könnten wir dafür auch ein paar aus der Jugendgruppe gewinnen ...
Pastor Ich meine, wir sollten das vom Kirchenvorstand aus veranstalten, als lustigen Beitrag.
Das kommt bestimmt gut bei der Gemeinde an und bringt uns der Gemeinde wieder näher ...
Mittwoch Wir sind die Gemeinde, lieber Herr Pastor.
Gast Dazu möchte ich gern etwas sagen ...
Mittwoch Also lieber Herr Gott, als Gast sind Sie uns willkommen, aber bitte stören Sie unsere Sitzung nicht! Wenn uns Ihre Meinung interessiert, werden wir Sie schon danach fragen
Alle Absegnen!
Pastor Fürs Protokoll: einstimmig abgesegnet. Ja-Stimmen: alle, Nein-Stimmen: keine, Enthaltungen: keine.
Keine weiteren Störungen.
Für uns alle ist die Situation, einen ungebetenen Gast zu haben, etwas ungewohnt, wir sind es nicht gewöhnt, dass sich irgend jemand für unsere Arbeit interessiert ...
Freitag ... und dann kommt ein alter Mann mit einem weißen Bart, sagt, sein Name sei Gott - und das sollen wir glauben?
Gast Ich hätte natürlich auch in Gestalt eines Kindes kommen können ...
Pastor Ich glaube, wir sollten jetzt erst mal eine kurze Pause machen.
Alle Absegnen!
Pastor Fürs Protokoll: einstimmig abgesegnet. Ja-Stimmen: alle, Nein-Stimmen: keine, Enthaltungen: keine.
5 Minuten Pause.
Pause, keiner verlässt den Raum. Alle flüstern miteinander, der Gast wird misstrauisch beäugt, erste Blicke auf die Uhr. Der Pastor gibt dem Vikar eine kurze Anweisung, der Vikar verlässt den Raum, kehrt nach kurzer Zeit zurück. Nach einiger Zeit hebt der Pastor die Hand:
Pastor Ich bitte um Ruhe - wir wollen weitermachen.
Dienstag Ich schlage vor, dass wir den Bericht des Festausschusses des Gemeinde-Ausschusses auf später vertagen und erst mal die Berichte aus den anderen Ausschüssen hören.
Pastor Das ist eine gute Idee. Was gibt es Neues aus dem Kindergartenausschuss? Ich gebe ab an Herrn Mittwoch.
Mittwoch Leider müssen wir wieder einmal eine Stelle neu besetzen, da schon wieder eine Mitarbeiterin ein Kind kriegt. Ich weiß schon gar nicht mehr, wer hier Schwangerschaftsvertretung für wen macht, wir haben da z.Zt. einen Schwangerschaftsboom ...
Donnerstag Ist doch wunderbar - ohne die Kinder könnten wir uns diesen Ausschuss schenken, das wäre doch schade!
Mittwoch Aber müssen unbedingt unsere Kindergärtnerinnen schwanger werden? Die sollten doch lieber ihren Job machen und anderen das Kinderkriegen überlassen.
Freitag Erzieherinnen, Herr Mittwoch, nicht Kindergärtnerinnen.
Mittwoch Stimmt, Mit den Kindern im Kindergarten haben sie ja nicht mehr viel zu tun, wenn sie ständig schwanger sind!
Freitag Kinder-Tagesstätte, lieber Herr Mittwoch, nicht Kindergarten.
(Leise zu seinem Nachbarn:)
Der Kindergarten tagt wohl eher gerade hier im Gemeindehaus ... Beide lachen hinter vorgehaltener Hand.
Donnerstag Also früher war das einfacher: Kinder, Kindergarten, Kindergärtnerin. Warum heißt das jetzt nicht mehr so?
Mittwoch Das kann ich Ihnen erklären.
‚Tagesstätte' macht mehr her und verdeutlicht den Unterschied zwischen Halbtags- und Ganztagskind.
‚Erzieherin' heißt es, weil die Damen mit Erziehung und nicht mit Kindern beschäftigt sind.
Und bei dem Begriff ‚Kind' ist man bis jetzt geblieben, weil es noch keinen Ausschuss für die Umbenennung des Kindes als solchem gibt.
Mir persönlich schweben da einige mögliche Varianten vor, z.B. "zu Erziehende" oder "Erziehungsbedürftige" oder so was in der Richtung. Vorerst wird es aber bei der groben Unterteilung in "Tagesstätten-Kind", "Hortkind" und einfach "Kind" bleiben ...
Freitag Nicht zu vergessen das "Buskind", das "Schulkind", das "Stadtkind" ...
Donnerstag So viele Sorten Kinder gibt es? Mein Gott!
Gast Sprechen Sie mit mir? Möchten Sie meine Meinung hören? Ich sagte ja schon vor langer Zeit: Lasset die Kinder zu mir kommen ...
Freitag ...denn ihrer ist das Himmelreich, haha. Unser Gast stört schon wieder.
Gast Ich möchte Ihre Sitzung wirklich nicht stören, aber ich bin eben immer da, wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind. Eigentlich wollte ich ja nur wissen, was in meiner Gemeinde so läuft, und, wie gesagt, wenn mein Bart Sie stört: ich hätte auch in Gestalt eines Kindes kommen können ...
Pastor ... meine Gemeinde, lieber Herr Gott, das ist immer noch meine Gemeinde, ich bin hier der Chef, äh Pastor.
Mittwoch Wir haben Sie gewählt, Herr Pastor, das ist unsere Gemeinde.
Gast Nein, meine Gemeinde ... die Gemeinschaft der Gläubigen ...
Freitag Ja, wir alle glauben an Gott, deshalb sind wir ja hier. Und jetzt unterhalten wir uns über Dinge, die der Kirchenvorstand bestimmt, Schluss, Ende, aus.
Alle Absegnen!
Pastor Fürs Protokoll: einstimmig abgesegnet. Ja-Stimmen: alle, Nein-Stimmen: keine, Enthaltungen: keine.
Beschluss: ab jetzt redet nur noch der Kirchenvorstand.
Es klopft an der Tür, der Vikar geht hinaus, kommt zurück und flüstert kurz mit dem Pastor
Pastor Ich höre gerade, dass das Taxi gekommen ist. Wohin darf es Sie bringen, Herr Gott?
Gast Also eigentlich bin ich immer da, wo zwei oder drei ...
Samstag Mein Gott, so nennen Sie doch endlich Ihre Adresse, lieber Herr Gott!
Gast Also eine Adresse habe ich eigentlich nicht, ich bin eben immer da, wo ......
Mittwoch Das sagten Sie schon, Herr Gott, aber wo gehören Sie nun wirklich hin?
Gast Ich dachte, ich gehöre hierher, aber ich sehe, dass Sie mit mir nichts anfangen können. Ich störe hier nur, das wollte ich nicht. Ich höre nur immer, dass die Gläubigen mich suchen, und da dachte ich, ich komme einfach mal vorbei, denn eigentlich bin ich immer dort, wo zwei oder drei ...
Pastor So kommen wir nicht weiter.
(zum Vikar:)
Wenn der arme, verwirrte Mann seine Adresse nicht kennt, soll der Fahrer ihn einfach zur Polizei bringen. Die wissen, wie man mit solchen Leuten umgeht. Vielleicht ist er ja schon als vermisst gemeldet. (zum Gast:)
Wir bedanken uns für Ihr Interesse - gehen Sie mit Gott, Herr Gott.
Gast (kopfschüttelnd)
Selbstverständlich werde ich vermisst, deshalb bin ich ja hier.
(verabschiedet sich)
Gott sei mit euch. Und zur Erinnerung: ich bin immer da, wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind.
Der Gast geht.
Pastor Nun, da der Herr Gott endlich gegangen ist, können wir uns wieder der Tagesordnung zuwenden. Wir waren beim Kindergarten-Ausschuss, Verzeihung, Kindertagesstätten-Ausschuss.
Wenn ich alles richtig verstanden habe, haben wir zwar viele Sorten von Kindern, aber keinen Kindergarten mehr, sondern eine Kinder-Tagesstätte, weil das besser klingt.
Leider haben wir auch keine Kindergärtnerinnen mehr, weil die ständig in ‚anderen Umständen' sind. Deshalb stellen wir jetzt ‚Erzieherinnen' ein, bei denen die Gefahr einer Schwangerschaft nicht besteht, da die ‚Erzieherinnen' mit Erziehung beschäftigt sind und mit Kindern nichts am Hut haben.
Wurde im Ausschuss eigentlich schon mal überlegt, ob unter diesen Umständen (er räuspert sich) die Einstellung eines männlichen Erziehers nicht sinnvoll wäre?
Mittwoch Darüber nachgedacht haben wir schon, aber stellen Sie sich mal einen Mann unter so vielen Frauen vor, Herr Pastor. Es fehlt uns noch, dass der uns die jungen Hühner im Anerkennungsjahr schwängert!
Ich wundere mich sowieso, dass Frauen, die tagtäglich mit einer Unmenge von kleinen Ungeheuern zu tun haben, freiwillig selber welche kriegen ...
Freitag Ich weiß, warum sie das tun - die glauben doch, dass sie von Erziehung viel mehr verstehen als die Eltern ...
Mittwoch Also meiner Erfahrung nach verstehen Eltern wirklich am wenigsten von Erziehung ...
Pastor (Mittwoch unterbrechend:)
Ich glaube, wir sollten an dieser Stelle den Bericht aus dem Kindergarten-Ausschuss auf die nächste Kirchenvorstands-Sitzung vertagen - jemand dagegen?
(Alle schütteln den Kopf.)
Gut, dann weiter in der Tagesordnung. Nächster Punkt: unser diesjähriger Ausflug. Wohin solls gehen? Hat jemand eine Idee?
Samstag Herr Pastor, zuerst müssen wir doch einen Ausschuss wählen!
Alle Absegnen!
Pastor Fürs Protokoll: einstimmig abgesegnet. Ja-Stimmen: alle, Nein-Stimmen: keine, Enthaltungen: keine. Wahl eines Ausflugs-Ausschusses. Ich denke, wir brauchen vier Freiwillige - wer hat Lust?
Pastor sieht fragend in die Runde, alle sind plötzlich mit anderen Dingen beschäftigt, sortieren Blätter, suchen in ihren Taschen, verstecken sich hinter z.B der Tagesordnung
Vikar Darf ich jetzt vielleicht mal mitwählen? Ich möchte das auch mal üben. Sie brauchen meine Stimme ja nicht mitzuzählen ...
Pastor Also das geht nicht, jede Stimme zählt hier. Wer meldet sich für den Ausschuss?
Alle sehen sich an, zögernd melden sich Montag, Samstag, Donnerstag und Dienstag
Pastor Gut - dann wählen wir den Ausschuss am besten "en bloc", das spart Zeit. Herr Vikar, Sie sind nicht stimmberechtigt. Zur Wahl stehen Herr Montag, Frau Samstag, Frau Donnerstag und Frau Dienstag. Wer ist dafür?
Pastor, Mittwoch und Freitag heben die Hände.
Pastor Also drei stimmen mit Ja. Wer ist dagegen?
Keine Handzeichen
Pastor Niemand. Enthaltungen?
Montag, Dienstag, Donnerstag und Samstag heben die Hand.
Pastor Vier Enthaltungen. Ich fasse zusammen: Ja-Stimmen: drei, Nein-Stimmen: keine, Enthaltungen: vier. Damit hat der Vorschlag die erforderliche Mehrheit nicht erhalten und ist abgelehnt.
(Er räuspert sich, schüttelt den Kopf, überlegt)
Da stimmt doch etwas nicht...
Donnerstag Wir sind doch alle dafür - wieso ist der Ausschuss jetzt abgelehnt?
Vikar Was ist eine Enthaltung? Ich verstehe das nicht.
Pastor (zum Vikar:)
Deshalb dürfen Sie ja auch nicht mitwählen, Sie müssen das eben erst noch lernen!
Vikar Darf ich eine Frage stellen?
(alle sehen hoch)
Wenn sieben Stimmberechtige anwesend sind und vier in den Ausschuss gewählt werden, dann wäre es doch am einfachsten, wenn alle sieben einstimmig mit "ja" stimmen würden?
  Schweigen. Entsetzte Gesichter.
Mittwoch Aber das ist unmöglich! Man wählt sich doch nicht selbst!
Vikar (überrascht)
Warum? Darf man das nicht?
Mittwoch

Das tut man nicht!
Wer zur Wahl steht, enthält sich natürlich der Stimme.
Alle nicken zustimmend.

  Vikar öffnet den Mund, setzt zur Antwort an...
Pastor (zum Vikar:)
Das erkläre ich Ihnen später. Jetzt wollen wir darüber nachdenken, wie wir den Ausschuss wählen können.
Mittwoch Wie wäre es, wenn wir nur drei Mitglieder in den Ausschuss wählen - dann würden wir, bei sieben Stimmberechtigten, zum richtigen Ergebnis kommen!
Samstag Also drei sind zu wenig. Da ist soviel vorzubereiten - wir brauchen mindestens vier.
Schweigen, alle überlegen, rechnen nach.
Freitag Vielleicht sollten wir den Vikar doch mitwählen lassen, dann sind wir vier gegen vier!
Pastor Das geht nicht, dann haben wir immer noch keine Mehrheit zusammen.
(nach kurzem Nachdenken)
Ich habs! Wir machen keine Blockwahl, sondern wir wählen die Ausschuss-Mitglieder in getrennten Wahlgängen - dann klappt es. Wer ist dafür?
Alle heben die Hand.
Pastor Einstimmiger Beschluss: Die Mitglieder des Ausflugs-Ausschusses werden einzeln gewählt. Dann müssen wir jetzt in den sauren Apfel beißen. Fangen wir an. Zur Wahl steht Herr Montag. Wer ist dafür?
Sechs Hände heben sich.
Pastor Wer ist dagegen?
Keine Wortmeldung
Pastor Enthaltungen?
Montag hebt die Hand.
Pastor Ich verkündige(räuspert sich) verkünde das Ergebnis: Mit sechs Ja-Stimmen und einer Enthaltung ist Herr Montag in den Ausschuss gewählt.
Alle atmen spürbar erleichtert aus. Montag freut sich, seine Sitznachbarn gratulieren ihm, die anderen klatschen laut.
Freitag Warum wählen wir überhaupt? Schließlich haben wir vier Freiwillige, damit ist die Sache doch klar!
Mittwoch Nichts ist klar, Herr Freitag, aber Sie sind ja noch nicht so lange dabei. Der Auschuss muss ordnungsgemäß gewählt werden, sonst ist er nicht beschlussfähig.
Samstag Und ohne Ausschuss können wir unseren Ausflug überhaupt nicht machen - wer soll sich denn sonst um die Verpflegung kümmern, den Bus mieten, Besichti...
Montag (unterbricht sie)
Ich stelle einen Antrag: die restlichen drei Mitglieder können wir jetzt als Block wählen - wenn ich richtig gerechnet habe, kommen wir nun auf die erforderliche Mehrheit.
Alle sehen sich an, rechnen eifrig auf dem Papier nach.
Pastor (blickt erstaunt von seinem Zettel auf)
Stimmt. Wer ist dafür?
Sechs Handzeichen.
Pastor Jemand dagegen?
Keine Wortmeldung
Pastor Enthaltungen?
Montag hebt die Hand.
Pastor Der Antrag ist mit sechs Ja-Stimmen und einer Enthaltung angenommen. Also dann weiter: zur Wahl stehen Frau Dienstag, Frau Donnerstag und Frau Samstag. Wer ist dafür?
Vier Hände heben sich.
Pastor Wer ist dagegen?
Keine Wortmeldung.
Pastor Enthaltungen?
Dienstag, Donnerstag und Samstag heben die Hand.
Pastor Mit vier Ja-Stimmen und drei Enthaltungen sind Frau Dienstag, Frau Donnerstag und Frau Samstag in den Ausschuss gewählt. Damit ist der Ausschuss komplett.
Alle (erleichtert:)
Gott sei Dank!
Vikar Ich glaube, ich habe das Wählen jetzt verstanden.
Pastor Ich hoffe es, Herr Vikar. Vielleicht lassen wir Sie am Ende Ihres Vikariats probehalber einmal mitwählen. Darüber müssen wir vorher natürlich erst abstimmen, wollen wir das eben noch machen?
Alle winken ab.
Pastor Abgelehnt. Ich denke, wir verschieben diese Entscheidung auf eine der nächsten Kirchenvorstands-Sitzungen, für heute haben wir alle genug. In Anbetracht der fortgeschrittenen Stunde schlage ich vor, dass wir uns bis zur nächsten Kirchenvorstands-Sitzung vertagen, oder haben wir noch etwas Dringendes zu besprechen?
Alle sehen sich an.
Alle (nur Herr Montag nicht)
Absegnen!
Montag (überlegend)
Halt, da fällt mir doch noch etwas ein - was soll ich eigentlich ins Protokoll schreiben? Begrüßung, letztes Protokoll genehmigt. Über das Gemeindefest gesprochen, diesen Punkt vertagt. Der Herrgott, äh (ändert die Betonung) Herr Gott hat gestört, wir hatten Mühe, ihn loszuwerden. Kurze Diskussion darüber, wessen Gemeinde unsere Gemeinde ist. Bericht aus dem Kita-Ausschuss über Personalprobleme. Bildung des Ausflugs-Ausschusses mit Schwierigkeiten bei der Suche nach einem zum Erfolg führenden Wahlverfahren. Die Frage, ob wir den Vikar mal mitwählen lassen, auf später vertagt - und das wars? Wenn meine Frau das liest, wird sie mich entsetzt fragen: Und das ist alles, was ihr vier Stunden lang gemacht habt?
Alle sehen sich ratlos an.
Dienstag Also lieber Herr Montag, ich finde, das, was Sie da gesagt haben, klingt viel zu unharmonisch. Ich will Sie jetzt bestimmt nicht kritisieren, aber vielleicht sollten Sie die einzelnen Punkte etwas positiver formulieren. Wie klingt das denn: der Herr Gott hat gestört! Schreiben Sie doch einfach: zu Gast war ein alter Mann, der unter der Zwangsvorstellung litt, einer von uns zu sein. Trotz intensiver und einfühlsamer Befragung war sein Wohnsitz nicht herauszubekommen. Deshalb musste das Problem bedauerlicherweise an die zuständige Behörde weitergeleitet werden. Die Kosten für die Taxifahrt trägt der Kirchenvorstand.
Alle nicken zustimmend.
Pastor Gibts sonst noch etwas, oder wollen wir jetzt Schluss machen?
(Er guckt fragend in die Runde, alle nicken.)
Keine Wortmeldung mehr?
(Alle schütteln den Kopf.)
Gut. Ich hoffe, dass unsere nächste Kirchenvorstands-Sitzung ungestört bleibt und möchte die heutige nun mit einem Text aus der Bibel beenden:
(zitiert Markus 8, 17-18):

"JESUS HÖRTE ES UND SAGTE ZU IHNEN: "WAS MACHT IHR EUCH SORGEN DARÜBER, DASS IHR KEIN BROT HABT? VERSTEHT IHR IMMER NOCH NICHTS? BEGREIFT IHR DENN GAR NICHTS? SEID IHR GENAUSO VERSTOCKT WIE DIE ANDEREN? IHR HABT DOCH AUGEN, WARUM SEHT IHR NICHTS? IHR HABT DOCH OHREN, WARUM HÖRT IHR NICHTS?"

Lasst uns dem Wort des Herrn ein offenes Ohr bewahren. Wir wollen uns darauf besinnen, dass der Herr Gott, äh, Gott, der Herr, immer dort ist, wo zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind. Gott ist immer da - wer ihn sucht, wird ihn finden.
Gott ist allgegenwärtig!
Alle Absegnen!
Vorhang

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